30 Nov
30Nov

Es war an einem regnerischen Samstag im Oktober 2023. Wir hatten uns mit Herrn Gentinetta, der bereit war uns in die Mysterien des Kupferdrucks einzuführen, gleich in seiner Werkstatt verabredet. Mein Kollege Walter, der mit mir zusammen unsere Webseite betreibt und sich in Zürich viel besser auskennt als ich, fuhr uns an diesen Ort. Die Werkstatt befindet sich im Untergeschoss eines Industriegebäudes. Wir fuhren in einen Innenhof, wo wir auch das Auto abstellen konnten. 

Bevor wir die Werkstatt betreten, möchte ich noch erklären, warum wir überhaupt auf den Gedanken gekommen waren uns einmal gründlicher mit diesen alten Drucktechniken zu befassen. Walter besitzt eine ansehnliche Sammlung von interessanten alten Stichen, Aquatinta und Radierungen und ich selbst habe auch ganz verschiedene Druckgrafiken dieser Art. Wir sind beide fasziniert von der Schönheit dieser alten Techniken, die leider etwas in Vergessenheit geraten und doch wundervolle Zeugnisse vergangener Epochen sind. 

Es gab eine Zeit, wo sie zu stolzen Preisen gehandelt wurden, während sie heute zu Schnäppchenpreisen zu haben sind und trotzdem kaum mehr Käufer finden. Aber das macht sie für uns auch wieder interessant, denn wenn man Glück hat, kann man auf echte Raritäten stossen. Um die Spreu vom Weizen trennen zu können braucht es aber einige Kenntnisse, die uns beiden fehlten. Wir hatten gemerkt, dass es eben nicht ganz ausreicht, wenn man sich im Internet informiert, wo man durchaus nützliche Beschreibungen dieser Techniken findet. Was uns aber fehlte war die Realanschauung. So kamen wir auf die Idee uns von einem Kupferdrucker zeigen zu lassen, wie man bei diesen Techniken handwerklich vorgeht. 

Wir hatten auch beide eine Auswahl unserer Schätze mitgenommen, die wir nun aus dem Auto ausluden und in die Werkstatt heruntertrugen, wo uns Herr Gentinetta in seinem Reich empfing. Ich staunte über die Weitläufigkeit der Räumlichkeiten, die Regale mit unzähligen Fächern und Schubladen, Werkbänke, Tische aller Art, tausenderlei Utensilien, Geräte und Vorrichtungen, die offenbar in einer Kupferdruckwerkstatt benötigt werden. Es war sofort klar, dass hier auf mannigfaltige Weise gearbeitet wird. Aber es herrschte auch Ordnung, damit man bei all dieser Vielfalt nicht den Überblick verliert. Wir waren hier offensichtlich am richtigen Ort gelandet, um unser lückenhaftes Wissen mit Realanschauung zu komplettieren. 

Ohne viele Umschweife und ganz in unserem Sinne schlug Herr Gentinetta vor, dass er uns zuerst einmal die wichtigsten Techniken zeigen würde. So wurde mir endlich klar, dass es vor allem auf die Werkzeuge ankommt. Beim Kupferstich werden die Linien mit einem Grabstichel in die Kupferplatte graviert. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Arten von Sticheln. So gibt es zum Beispiel Stichel, mit denen gleich mehrere Linien parallel zueinander graviert werden können. Bei diesem Verfahren gibt es keine Grate am Rand der Linien. Die Strichdicke variiert. Abstufungen in den Graustufen erreicht man durch den Abstand der Linien zueinander oder auch durch schraffierende Überlagerungen. Im Gegensatz zum Holzschnitt ist der Kupferstich ein Tiefdruck und er lässt sich von ersterem auch dadurch unterscheiden, dass dieser sich durch harte Kontraste zwischen Hell und Dunkel auszeichnet. 

Wir konnten anhand von Probeplatten gleich selbst Hand anlegen. Herr Gentinetta zeigte uns, dass der Stichel vom Körper weggeschoben wird. Meine ersten Versuche konnten aber nicht so recht überzeugen. Übung macht halt auch hier den Meister. Ob auf Kupfer oder Stahl graviert wird, sei nicht so wesentlich, erklärte Herr Gentinetta. Da Stahl härter ist, können damit einfach viel mehr Abzüge hergestellt werden, was sich auch auf den Preis auswirkt. Im Unterschied zum Kupferstich erreicht der Stahlstich eine weniger satte Tiefe. Diese Technik kam im Laufe des 19. Jahrhunderts auf und wurde häufig für Buchillustrationen verwendet, die später aber durch die Fotografie abgelöst wurde. 

Herr Gentinetta erklärte uns, dass es bei der Kupferradierung zwei verschiedene Techniken gibt. Bei der Kaltnadelradierung wir das Motiv mit spitzen Werkzeugen wie Stahlnadel, Punktiernadel, Schabeisen oder Messer in die Platte eingeritzt. Dabei entsteht auch ein Grat, in dem sich beim Einfärben zusätzlich Farbe ablagern kann, was beim Druck zu einem weichen Schatten als Begleitton führt. Die Qualität nimmt mit der Anzahl Abzüge ab, da durch den Druck der Presse der Grat und somit auch der Schatten als Begleitton verschwindet. Sammler sollten deshalb auf eine niedrige Nummerierung des Abzugs achten. 

Bei der Ätzradierung wird die Platte zuerst mit Ätzgrund präpariert. Das Motiv kann mit der Radiernadel aufgezeichnet werden. Im Säurebad werden die vorgezeichneten Linien in die Kupferplatte eingeätzt. Je nach Länge des Verweilens im Säurebad variiert die Strichdicke der Linien. Durch Abdecken von Teilen der Kupferplatte kann der Ätzvorgang mehrfach wiederholt werden, was zu einer Abstufung vom hellen Grau bis zu tiefem Schwarz führt. Vom Verfahren her vergleichbar ist die Aquatinta, bei der zuerst Asphalt oder Kolophonium in Pulverform auf die Platte gestäubt wird. Dieses wird dann von unten her vorsichtig erhitzt, damit die Harzkörnchen auf der Platte anschmelzen. Vor dem Ätzen deckt man die Stellen, die weiss bleiben sollen mit Abdecklack ab. Durch das Ätzen entstehen um die eingeschmolzenen Körnchen Vertiefungen, so entsteht ein Rasterkorn auf der Platte. Durch mehrfaches Abdecken und Ätzen entstehen mehr Graustufen. Man kann bei der Aquatinta anstelle von Schwarz auch Farben verwenden. Herr Gentinetta erklärte uns aber, dass ein Farbdruck sehr schwierig sei, da es dafür mehrere Platten bräuchte, die genau aufeinanderpassen müssten. Deshalb seien farbige Druckgrafiken meistens handkoloriert. Viel einfacher sei es Farbdrucke als Lithografien herzustellen. 

Zum Abschluss seiner Vorführung zeigte uns der Künstler noch eine Technik, die weder Walter noch ich selber kannten. Es ist die sogenannte Mezzotinto, die auch Schabtechnik oder Schwarzkunst genannt wird. Dabei wird die Platte mit einem Wiegeeisen oder mit dem Kornroller aufgeraut. Stellen, die heller bleiben sollen, werden mit einem Schabeisen oder Polierstahl geglättet. Verwendet wurde diese Technik seit dem 17. Jahrhundert und eignete sich besonders für Portraits oder die Wiedergabe grosser Gemälde. 

Nach dieser Einführung waren wir natürlich gespannt, wie der Künstler unsere mitgebrachten Werke einordnen würde. Bei den Stichen war das relativ einfach für ihn. Schwieriger wurde es bei den farbigen Grafiken. Waren sie handkoloriert, waren es Aquatinta oder Lithografien? Auch für Herrn Gentinetta war das nicht immer einfach zu bestimmen. Er meinte, dass es sich aber bei vielen nicht um Aquatinta sondern eher um Lithografien handeln würde. Eines meiner farbigen Exemplare erwies sich gar als schnöder Druck, was ich ja eigentlich auch selbst hätte merken können, wenn ich die Lupe richtig gehalten hätte. 

Am Schluss führte uns der Künstler noch durch die ganze Werkstatt. Spannend wurde es in dem Bereich, wo er an seinen eigenen Werken arbeitet. Dazu erlaube ich mir Herrn Gentinetta gleich selbst anhand einer Erklärung zu seinen Werken zu zitieren, die er anlässlich einer Ausstellung im Salzhaus in Brugg verfasst hatte. 

«In meinen oft grossformatigen Drucken durchdringen sich Bild- und Zeiträume auf vielfältige Art und Weise. Bilder drängen sich in den Vordergrund und sind als Fragmente erkennbar: Autofahrer und Beifahrer, Paris betrachtet den Apfel, eine Frau beim Friseur. Bestandteile der hier abgebildeten Arbeit sind: der von Cronenberg verfilmte Roman von Don DeLillo Cosmopolis, das grossformatige Bild von Anselm Feuerbach Urteil des Paris sowie eigene Arbeiten von einem vorhergehenden Bilderzyklus.  

Die Bildkomposition entsteht durch eine Fragmentierung der Erzählung, indem sie auf zahlreiche Bildfelder verteilt wird. Diese nichtlineare Erzählweise ist charakteristisch für mein künstlerisches Verfahren. Die Möglichkeiten der Technik erlauben es mir ausserdem, auch ältere Drucke wieder neu zu rezipieren. Dafür werden Bildmotive präzisiert, übermalt, für den Ätzprozess gerastert und anschliessend wieder gedruckt. Der Herkunft der Bilder sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Das eigene Erleben ist mir ebenso Bildquelle wie der Fundus der Kunstgeschichte. In der Präsentation werden die einzelnen Drucke in Bilderzyklen zusammengefasst.» 

Mir wurde klar, dass es bei diesen Drucktechniken viel Erfahrung braucht, um die ganze Bandbreite der Möglichkeiten in künstlerischer Form auszureizen. Ihre Verwendung in der heutigen Zeit zeigt, dass sie ihren besonderen Reiz nicht verloren haben. Sie werden vielmehr von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern genützt um damit neue Ausdrucksformen zu finden. 

Als ich am Ende unseres Besuches auf die Uhr schaute, war ich erstaunt, wie schnell der Nachmittag vergangen war. Es hatte sich auf jeden Fall gelohnt und wir verliessen die Werkstatt von Mathias Gentinetta mit einer Fülle neuer Eindrücke. Er hatte unser Anliegen zu unserer grossen Zufriedenheit erfüllen können. 

Quellen: 

https://kupferdruckwerkstatt.ch 

www.salzhaus-brugg.ch/mathias-gentinetta 

Wikipedia

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