27 Mar
27Mar

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Herrjemine! Herrjemine! schrie die dicke Bäuerin ganz aufgelöst, angesichts der Bescherung im Hühnerstall. Der Fuchs hatte ganze Arbeit geleistet in dieser Nacht. Durch ein Loch in der Erde war er in den Stall eingedrungen, hatte drei Hühner totgebissen und eins nach dem anderen weggeschleppt. Darunter zwei der besten Legehennen. Die anderen Tiere lagen arg zerzaust mehr tot als lebendig im Stall und hatten wohl jeglichen Lebensmut verloren. Ans Eierlegen war bei ihnen nicht zu denken. Wart nur du Mörder, grollte die Bäuerin, dir werd ich’s zeigen. Sie trommelte den ganzen Hof zusammen, ihren Mann, den Bauern, Heiri und Ruedi, die beiden Knechte, Bertha die Magd, Friedli, Maya, Hans und Liseli, die vier Kinder, Prinz, der Sennenhund und die drei Hofkatzen. 

Zuerst musste sich Prinz mit gesenktem Kopf eine wahre Schimpftirade anhören. War er doch als Wachhund eingestellt worden und hatte pflichtvergessen die Nacht nach einem üppigen Fressen wohlig in seiner bequemen Hütte durchgeschlafen. Auch die drei Hofkatzen wurden nicht verschont, zwar waren sie nur als Mäusejäger unter Vertrag, aber sie hätten zumindest Alarm schlagen können.  Dann ging es weiter mit den beiden Knechten und der Magd, den Kindern und am Schluss dem Bauern selber. Alle mussten das zornig Gekeife der wütenden Furie über sich ergehen lassen. Nachdem sie endlich etwas zur Ruhe kam, stammelte der Bauer, man könne ja gemeinsam einen Plan machen, wie man Meister Reineke das blutige Handwerk legen könne. 

So geschah es dann auch. Die beiden Knechte sollten sich wechselseitig bei der Bewachung des Hühnerstalls in der Nacht ablösen. Prinz wurde auf halbe Ration gesetzt und an einer langen Kette vor dem Stall angebunden. Die drei Katzen hatten vom ganzen Gezeter nichts verstanden und hielten sich auch für nicht zuständig in dieser Angelegenheit. Bei einem Kampf mit dem Fuchs hätten sie sowieso den Kürzeren gezogen. Darum zogen sie es vor etwas in Deckung zu bleiben. Schon dämmerte es wieder, eine kühle Spätherbstnacht brach an. Die restlichen Hühner waren etwas zur Ruhe gekommen und wieder ihrem Tagesgeschäft nachgegangen. Prinz lag missmutig vor dem Stall und Heiri hatte sich als erster Knecht auf die Lauer gelegt. 

Die mondlose Nacht schritt voran, in der Dunkelheit konnte man kaum mehr die Hand vor den Augen erkennen. Heiri hatte sich in seinem Versteck in einen warmen Mantel gehüllt und eine dicke Pelzkappe über die Ohren gezogen. Die Flinte hatte er schussbereit neben sich gelegt, den Flachmann hatte er auch nicht vergessen. Schon beim Nachtessen hatte er sich ein paar Öbstler genehmigt, wenn die Bäuerin gerade einmal wegschaute. So war er schon recht frohen Mutes und genoss die wohlige innere und äussere Wärme. Eigentlich tat ihm Prinz etwas leid, der in seiner misslichen Lage nicht zu beneiden war. Aber der gutmütige Heiri hatte auch für ihn vorgesorgt und ein paar Happen für das arme Tier rausgeschmuggelt. Die hatte er ihm hingeworfen. Prinz stürzte sich darauf und war nun mit Fressen beschäftigt, was seine Stimmung deutlich verbesserte. 

Langsam kroch die Nacht dahin, nichts regte sich, die Lichter im Bauernhaus gingen aus, es wurde kühler. Heiri genoss noch ein paar Schlückchen aus dem Flachmann, Prinz gähnte und legte seinen Kopf zwischen die Pfoten. Als Sennenhund war er an die Kälte ja gewöhnt. War da ein leises Rascheln? Nein, nichts dergleichen, alles ruhig. Angestrengt horchte der Knecht in die undurchdringliche Dunkelheit hinein. Langsam fielen ihm die Augen zu, mehrmals schreckte er wieder auf um dann endgültig in Morpheus Arme zu sinken. Auch Prinz träumte schon von einem riesigen Knochen, an dem er sich gütlich tat. Nur der Fuchs war hellwach. Leise war er an den Hühnerstall herangeschlichen. 

Den schlafenden Hund hatte er schon vorher gerochen. Auch das laute Schnarchen von Heiri war ihm nicht entgangen. Doch wenn er das Loch in den Hühnerstall von der hinteren Seite her graben würde, konnte ihm nicht viel geschehen. Die Hühner waren nach der turbulenten letzten Nacht in einen unruhigen Dämmerschlaf verfallen. Nachdem der Fuchs eingedrungen war, packte er das erstbeste Huhn und schaffte es sich damit aus dem Staub zu machen, bevor das aufgeregte Gegacker im Stall die beiden Wachposten aufweckte. Prinz begann laut zu bellen und zerrte wütend an seiner Kette, als der Fuchs mit seiner Beute in sicherer Distanz an ihm vorbeischoss. Auch Heiri war aufgewacht und tastete nach seiner Flinte. 

Der Schuss ging schon los, bevor er richtig zielen konnte. Leider in die falsche Richtung. Einige Scheiben des Hühnerstalls gingen zu Bruch und durch die Schrotladung endeten zwei weitere Legehennen als Suppenhühner. Vom ganzen Krach wurde das ganze Bauernhaus aufgeweckt. Lichter wurden angezündet und schon stürmte der Bauer nur halb angezogen mit seiner Hose über dem Nachthemd aus dem Haus, seine Frau folgte ihm im Morgenrock. Bald versammelten sich auch das restliche Gesinde und die Kinder schlaftrunken vor dem Haus. Die Magd brachte auch gleich zwei Laternen, damit man den Schaden besichtigen konnte. Die Bäuerin schäumte vor Wut, nachdem sie gesehen hatte, was der Knecht angerichtet hatte. Als ihr noch dessen Alkoholfahne in die Nase stach, war sie kaum mehr zu beruhigen. Von den Legehennen blieben nun nur noch ein Dutzend übrig. 

Doch die Bäuerin liess nicht locker, die Massnahmen für die nächsten Nächte wurden verschärft. Beide Knechte mussten sich nun auf die Lauer legen und die Bäuerin sorgte dafür, dass sie mit hungrigen Mägen nicht zum Schlafen kamen. Prinz hatte es nur dem tränenreichen Flehen der Kinder zu verdanken, dass er nicht auch noch mit der Flinte Bekanntschaft machen musste. So behielt er seinen wenig ehrenhaften Platz an der Kette vor dem Hühnerhaus. Einige Nächte verstrichen ohne besondere Ereignisse. Das Dutzend Legehennen blieb erhalten, aber der Fuchs hatte wohl Lunte gerochen. Die Knallerei bei seinem letzten Besuch hatte ihn doch etwas misstrauisch gemacht. 

So beschloss er diesen Hof für einige Zeit nicht mehr zu berücksichtigen und holte sich seine Hühner bei freigiebigeren Bauern. Da die Knechte wegen den Nachtwachen am Tag kaum mehr zu gebrauchen waren, wurden diese Nachtübungen schliesslich abgebrochen. Prinz schlief wieder in seiner Hundehütte und die beiden Knechte kamen auch zu ihrem verdienten Schlaf. Nach einigen Wochen machte es den Anschein, als ob der ganze Spuk vorbei sei. Doch dem Fuchs war es auf seinen Streifzügen nicht entgangen, dass er hier wieder einmal vorbei schauen könnte. Eines Morgens war das Dutzend um drei weitere Legehennen dezimiert. So konnte es nicht weitergehen. Der Bauer fuhr mit seiner Frau in die Stadt, denn sie hatten gehört, dass es dort einen Büchsenmacher gebe, der besondere Waffen zum Schutze des Federviehs herstellte. 

Der Büchsenmacher empfing sie höflich und zeigte ihnen stolz seine technischen Errungenschaften. Am meisten beeindruckte den Bauer und die Bäuerin der sogenannte Fuchstöter, ein Selbstschussgerät, das dem Hühnerdieb den Garaus machen sollte. Sie baten um eine Vorführung dieser Wunderwaffe. Der Büchsenmacher erklärte ihnen beim Laden die Handhabung. Vorsichtig löste er den Schuss durch einen leichten Druck auf den Ring vor dem Lauf aus. Der Knall war ohrenbetäubend. Doch die Kundschaft war sehr beeindruckt von der Wirkung des Fuchstöters und fragte etwas beklommen nach dem Preis. Dieser war exorbitant, aber der Büchsenmacher erklärte, dass er ihnen nicht entgegenkommen könne, da die Herstellung sehr aufwendig und die Nachfrage sehr gross sei. 

Der Bauer meinte, dass sie sich das kaum leisten könnten, doch seine Frau wischte seine Bedenken weg und bestand auf dem Kauf. Dafür könnten sie ja eine Kuh verkaufen. Der Bauer gab nach und so wurde Handel besiegelt. Auf dem Heimweg überlegten sich die beiden schon, wie sie den Fuchstöter einsetzen wollten. Sie wollten ihn gleich am ersten Abend ausprobieren. Der Büchsenmacher hatte sie gewarnt, dass schon ein leichter Druck den Schuss auslösen konnte. Am besten, so dachten sie, wäre es wohl, wenn man den Fuchs mit einem Köder anlocken würde. Die Waffe wurde also an einer Stelle hinter einem Loch des Maschendrahtzauns in Stellung gebracht, wo der Fuchs jeweils in den Hühnerhof eingedrungen war. 

Schon in der ersten Nacht gab es einen lauten Knall. Doch leider war es eine der Hofkatzen deren Neugier fatale Folgen hatte. In der zweiten Nacht folgte ihr ein unvorsichtiger Marder in die ewigen Jagdgründe, dann kam ein Dachs an die Reihe, später ein vorwitziges Eichhörnchen und so ging es weiter bis es sich wohl in der ganzen Tierwelt rund um den Hof herumgesprochen hatte, dass es da eine Höllenmaschine gab, um die man besser einen weiten Bogen machen sollte. Auch der schlaue Fuchs hatte davon erfahren, doch er liess sich davon nicht entmutigen und umging die mörderische Falle bei seinem nächsten Besuch im Hühnerstall geschickt. In dieser Nacht gab es keinen Knall aber als der Bauer den Fuchstöter kontrollieren wollte, löste er selber den Schuss aus und konnte von Glück reden, dass er die Hand schnell genug weggezogen hatte. 

Sogar die Bäuerin sah nun ein, dass ihnen mit dem Fuchstöter nicht geholfen war. Das Selbstschussgerät landete schliesslich in einem alten Kasten auf dem Speicher, wo es Jahrzehnte lang liegen blieb und völlig in Vergessenheit geriet. Erst vor einigen Jahren wurde die wunderliche Waffe bei einer Hausräumung wieder entdeckt. Niemand konnte sich erklären, zu welchen Zweck sie einmal gedient hatte. Doch der Grossvater erinnerte sich schliesslich, dass sein Grossvater Friedli ihm einmal davon erzählt habe. So kam die Waffe in den Besitz eines Antiquitätenhändlers und wurde an einen Sammler von solchen Kuriositäten verkauft. 

Schon beim Hantieren mit dieser Waffe ohne Munition muss man sehr vorsichtig sein, denn leicht könnte man sich äusserst schmerzhaft verletzen, wenn der Federmechanismus ausgelöst wird. Es ist eigentlich ein Vorderlader, bei dem zuerst das Schiesspulver und das Schrot in den Lauf gestopft wird. Dann wird der Hebel mit dem Bolzen für das Zündhütchen gespannt und durch einen drehbaren Bügel arretiert. Nachher setzt man das Zündhütchen auf den kleinen Hohlzylinder hinten auf dem Lauf. Der Schuss wird durch eine eiserne Stange ausgelöst, auf der vorne senkrecht ein Eisenring aufgeschweisst ist. Die leicht abgewinkelte Stange läuft vorne durch einen runde eiserne Führung und ist hinten mit dem Spannmechanismus verbunden. Beim Spannen der Waffe wird der Eisenring vorne an der Stange etwa fünf Zentimeter vor den Lauf geschoben. Drückt man von vorne leicht auf diesen Eisenring, schnellt die Stange nach hinten, der Schlagbolzen wird entsperrt und hämmert auf das Zündhütchen welches den Schuss auslöst. 

Dieses Selbstschussgerät ist eine einmalige Antiquität. Wir haben nirgends etwas Vergleichbares gefunden. Mein Kollege erklärte mir, ein Waffenkenner der Polizei, dem er sie gezeigt hatte, habe sie als Fuchstöter bezeichnet. So kann man sich besser vorstellen, wie die Waffe eingesetzt wurde. Der Fuchs war im Hühnerstall ja nie ein gern gesehener Gast. Es liegt deshalb wohl auf der Hand, dass jemand zur Abwehr dieses Hühnerdiebs diese Waffe erfunden hat.  Anstatt nächtelang mit der Schrotflinte auf Lauer zu liegen, konnte der Hühnerbesitzer dem Fuchs mit dieser Waffe eine Falle stellen, sich dann nachts bequem ins Bett legen. Am Morgen konnte er dann nachschauen, ob der Fuchs unvorsichtig genug gewesen war sein Leben auf Spiel zu setzten. Falls ja, hatte er vielleicht schon in der Nacht  den Schuss gehört. 

Aber so ungefährlich war die Waffe nicht, denn wenn man damit schon ohne Munition aufpassen musste, war sie umso gefährlicher, wenn sie geladen war. Je nachdem wo und wie man sie hinstellte, war sie nicht nur für den Fuchs sondern für auch andere Tiere, die Hühner selber, den Hofhund oder gar für die Menschen insbesondere die Kinder oder auch zweibeinige Hühner- und Eierdiebe eine tödliche Bedrohung. Ein Fallensteller tat also gut daran, sich genau zu überlegen, wie er die Waffe einsetzten wollte, damit daraus nicht ein veritables Drama wurde. Unfälle durch falsche Handhabung von Feuerwaffen waren  auch in früherer Zeit nicht selten.

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