09 Dec
09Dec

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Beginnen wir mit meinen ersten Begegnungen mit diesem seltsamen Objekt, das weniger an eine alte Schreibmaschine erinnert als einen Telegrafen. Mein Kollege hat sie von seinem Vater geerbt, der in seiner Raritätengalerie noch viele andere wundersame Antiquitäten zum Kauf angeboten hatte. Wahrscheinlich habe ich sie bei meinem Kollegen schon einmal gesehen, bevor er sie zu mir gebracht hatte. Sie befand sich gut verschlossen unter einer hübschen Haube aus Plexiglas. 

Ich gestehe es ungern, aber da ich mich noch mit vielen anderen Dingen beschäftige, fristete diese seltsame Maschine auch bei mir lange Zeit gut und sicher versorgt ihr wenig beachtetes Dasein in einer Abstellkammer. Mein schlechtes Gewissen plagte mich zwar, denn ich hatte meinem Kollegen immer wieder versprochen, dass ich ganz sicher vorhätte in nächster Zeit einen Bericht darüber für unsere Webseite zu schreiben. 

Doch eines Sonntagnachmittags nach einem Spaziergang bei schönstem Wetter fand ich, es sei nun wirklich an der Zeit mein Versprechen einzulösen. Ich holte das Gerät aus der Abstellkammer und entfernte die Abdeckhaube. Auch ohne Hilfe von Beschreibungen aus dem Internet konnte ich problemlos ein Blatt einspannen und machte meine ersten Tippversuche. Das Farbband war aber so staubtrocken, dass nicht einmal ein Hauch von Abdruck auf dem Papier erschien.

 Im Internet fand ich sofort hilfreiche Beschreibungen bei «Wikipedia» und auf einer Seite unter dem Link «mediale-artefakte.mewi-projekte.de». Da wurde mir auch klar, wozu die Maschine überhaupt gedacht war. Schreibmaschinen mit Tippmechanik gab es ja damals schon, aber nicht jeder beherrschte die Fingertechnik mit dem ein schnelles Schreiben auf diesen wenig komfortablen Ungetümen effizient möglich war. Sie war also für Leute gedacht, die damit nicht zurechtkamen und nun mit dieser Mignon eine nützliche Hilfe bekamen. Es sollten bis zu hundert Anschläge in der Minute möglich sein. 

Man wählt auf dem Buchstabenfeld oder auch Tableau einen Buchstaben mit einem Zeiger aus, wozu man diesen mit der linken Hand über das Tableau führt. Man spürt es, wenn der Zeiger quasi einrastet und man mit der rechten Hand die Taste drücken muss um den Buchstaben auf dem eingespannten Papier abzudrucken. Die Typenwalze wird dafür mittels einer mit dem Zeiger gekoppelten Mechanik in die richtige Position gedreht. Bei diesem Modell gibt es auch schon eine Leer- und eine Rücktaste, die ebenfalls mit der rechten Hand bedient werden. 

Das Besondere an dieser Maschine ist eben auch, dass man bis zu 36 Walzen und entsprechende Tableaus zur Auswahl hatte, mit der man den Schrifttyp ändern konnte. Ein geniales Prinzip, dass bei den Kugelkopf- und den Typenradschreibmaschinen Jahrzehnte später wieder aufgenommen wurde. Im Vergleich zu den eher klobigen und schweren Schreibmaschinen mit Tastenmechanik aus dieser Zeit ist diese Maschine eher klein in ihren Abmessungen von 32cm Länge, 26cm Breite und 13 cm Höhe. Sie konnte auch ganz einfach in einem passenden Koffer aus Holz oder Blech transportiert werden. Die Maschine besteht aus Eisen, Eisenblech und Gusseisen. Die Walze ist aus Hartgummi. Man konnte sie in den Farben Schwarz, Weiss oder sogar Rot erwerben. In einer Fabrik in Erfurt wurden über 40'000 dieser Maschinen produziert und man musste für das edle Stück etwa 150 Reichsmark hinblättern, was damals etwa einem Monatslohn entsprach. 

Auch wenn diese raffinierte Technik den modernen Druckern in unserem digitalen Zeitalter nicht standhalten konnte, erinnert sie, wie ich schon angesprochen habe, doch verblüffend an Schreibmaschinentypen, die viel später erfunden wurden, nämlich vor allem an die Kugelkopfmaschine oder auch an die Typenradmaschine, die noch bis zum Ende des letzten Jahrhunderts der letzte Schrei waren. 

Die erste IBM Kugelkopfmaschine habe ich in den Siebzigerjahren im Büro eines Nachbarn gesehen, der darauf Rechnungen an die Kunden seiner Mühle schrieb. Sie war sehr teuer und machte auch einen höllischen Krach. Aber man konnte wie bei dieser alten AEG-Maschine den Kugelkopf auswechseln, wodurch man mit einer anderen Schrift schreiben konnte. Später kam dann die Typenradmaschine auf, bei der man das Typenrad in einer Art Kassette ebenfalls auswechseln konnte. 

Diese moderneren Schreibmaschinentypen sind heute fast völlig verschwunden. Nicht einmal in Brockenhäusern findet man sie noch gelegentlich. Den ganz alten Schreibmaschinen hingegen begegnet man dort noch häufiger, sie gelten als Antiquitäten. Eine solche Mignon habe ich aber noch nie in einem Brockenhaus gesehen. Das sind wirklich ausserordentlich seltene Raritäten. 

Ich habe mich auch gefragt, wie die deutschen Hersteller auf den Namen «Mignon» gekommen sind. Ein Name, der von deutschsprachigen Leuten, die mit der französischen Sprache nicht vertraut waren, wohl oft falsch ausgesprochen wurde. Man könnte dieses Wort als «herzig», «niedlich» oder «süss» übersetzen. Es passt vielleicht eher zu einem knuddeligen Hundewelpen oder einem verspielten Kätzchen. «Qu’elle est mignonne!», wird man aber kaum zu einer Schreibmaschine sagen, die als Hilfe für etwas ungelenke Schreibkräfte gedacht war. 

Erfunden hatte diese Maschine Friedrich von Hefner-Alteneck (1845-1904), der ein enger Mitarbeiter von Werne Siemens war. Wenn man bedenkt, dass diese Maschine lange Zeit als Liebling unter den Schreibmaschinen galt, ist es doch erstaunlich, dass man sie heute nicht gleich auf den ersten Blick von einem Telegrafen unterscheiden kann. 

Auch wenn die Mignon heute nicht mehr einen hohen Wert hat, zeugt sie doch von einer genialen Erfindung aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts, deren Technik erst Jahrzehnte wieder aufgenommen und weiterentwickelt wurden. 

Quellen:

https://mediale-artefakte.mewi-projekte.de/home/text/aeg-mignon-schreibmaschine/)

https://de.wikipedia.org/wiki/Mignon_(Schreibmaschine)

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