23 Dec
23Dec

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Sie könnte aus dem dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert stammen, diese Madonna. Doch die Zeit ist nicht spurlos an ihr vorbei gegangen. Der Holzwurm hat sich an ihr satt gefressen, sie porös und teilweise fast unkenntlich gemacht, die Farbe ist abgeblättert. Geschaffen wurde sie im Mittelalter in der typischen Darstellung, wie man sie aus dieser Epoche kennt. Vielleicht zierte sie einst eine kleine Kirche irgendwo in einem Bergdorf, wo Gläubige in ihrer Not bei ihr Beistand und Schutz vor den Gewalten der Natur, vor Kriegen und Seuchen suchten, sie um ihren Segen baten und um Nahrung um über den harten Winter zu kommen. 

Ihre Augen waren trüb geworden von all den Kriegszügen und Hungersnöten, von Pest und Cholera, von Zerstörung und Verfall. Vielleicht wurde auch die kleine Kirche nicht verschont, wurde von einer Naturkatastrophe zerstört oder fiel einem Brand zum Opfer. So könnte die Muttergottes noch einigermassen heil aus den Trümmern geborgen worden sein. Hatten die Menschen einst bei ihr Hilfe gesucht, brauchte sie nun selber Schutz, wurde von jemandem in Obhut genommen, auf einem bescheidenen Hausaltar aufgestellt, wo sie vor sich hindämmerte. Weil sie im Laufe der Jahrhunderte längst nicht mehr den künstlerischen Ansprüchen entsprach, wurde sie vielleicht gar in einer Rumpelkammer abgestellt, dem Zahn der Zeit und dem Holzwurm ausgeliefert. 

Ihr fehlt der rechte Arm. Nur ein grosses, rundes Loch zeugt von ihm, wo er wohl an seinem Ende wie ein Zylinder befestigt war, umfangen vom geöffneten Mantel der Muttergottes. So war die Figur wohl aus zwei Teilen geschnitzt, die sitzende Madonna mit ihrem Kind. Als möchte es eben aufstehen, wird dieses von der anderen Hand der Mutter oberhalb des Knies umfasst und ruht gleichsam auf dem Gewand in ihrem Schoss. Beim Kind fehlt ebenfalls der rechte Arm, der wahrscheinlich zum gleichen Holzstück gehörte wie der fehlende Arm der Mutter. Bei anderen Figuren aus dieser Zeit umfängt die Himmelskönigin damit aber nicht etwa das Kind, sondern hält symbolisch einen Apfel. 

Der Kopf ist oval, fast eiförmig, zwei grosse Augen, hervortretende Wangenknochen, eine keilförmige Nase über dem geschlossenen Mund. Das runde, leicht nach vorne geschwungene Kinn zeichnet ein sanftes Kinngrübchen ab. Festgehalten von einer Krone auf ihrem Haupt Haar fällt ein Schleier über ihr Haar bis auf den Nacken. Das lange mittelalterliche Kleid bedeckt auch im Sitzen ihre Füsse und lässt vorne einen zickzackförmigen Faltenwurf erkennen. 

Auch das Christuskind trägt eine Krone. Sein Gesicht ist zwar fast nicht mehr zu erkennen, doch die Kopfform erinnert eher an einen kleinen Erwachsenen. Eine Art der Darstellung, die im Mittelalter verbreitet war. Schliesslich war es ja der Sohn Gottes. Unter dem Saum der gestreiften Tunika schauen die beiden nackten Füsse hervor. Mit der linken Hand presst das Christuskind ein kleines Buch an sein Herz. Es steht wohl für das Neue Testament, das er als Messias seinen Anhängern dereinst verkünden wird. 

Beim genauen Hinschauen erkennt man noch einige Farbreste, denn die Skulptur war einst farbig gefasst. Viele Feinheiten sind durch den Verlust der Fassung verloren gegangen, doch wirkt die Skulptur auch in seiner ursprünglichen Rohform noch erhaben, wie von einer magischen Aura umgeben. Ob ihr Schöpfer vielleicht ganz bewusst darauf verzichtet hatte, seinem Werk allzu menschliche Züge zu geben? War es eine Form demütiger Bescheidenheit die Erhabenheit der Muttergottes mit ihrem Kind profanen Darstellungsweisen zu entrücken? 

Was dieser Skulptur in ihrer langen Geschichte seit ihrer Entstehung widerfahren ist, können wir nur vermuten. Geschaffen im Mittelalter, wo die Religion den Alltag der Gläubigen bestimmte und diese in ein festes Korsett von Pflichten und Geboten einband, dem sie sich nicht entziehen konnten, liess die Muttergottes von Anfang an und im Laufe der folgenden Epochen nie von ihrer mütterlichen Fürsorge ab und hält noch heute ihr Kind schützend auf ihrem Schoss.

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