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Erst nachdem ich einige Werke von Fantuzzi gesehen habe, ist mir klar geworden, welche Bedeutung das Thema dieser Grafik für diesen Künstler hatte. Personen in einer Bar, in einem Laden, auf der Strasse, die sich zu kennen scheinen, aneinander vorbeigehen, sich zufällig begegnen, verbunden eventuell nur durch eine gemeinsame Absicht, wie über die Strasse zu gehen, auf den Bus zu warten, etwas zu konsumieren, findet man in vielen seiner Werke. Menschen, die miteinander im Gespräch sind oder auch nur nebeneinandersitzen, aneinander vorbeischauen oder ganz für sich alleine sind. Fantuzzi variiert dieses Thema mannigfaltig. Häufig sind es Szenerien in nächtlicher Umgebung, am Abend, im Kunstlicht, bei Mondschein oder nach Sonnenuntergang.
Die Szene in der Grafik, könnte sich in einer Bar oder einem Kaffee abspielen. Zwei Personen sitzen an einem Tisch, ein Stuhl bleibt leer, links davon aber etwas im Hintergrund steht jemand, alleine, ohne direkten Kontakt zu den Sitzenden. Noch etwas weiter links aber im Vordergrund eine weitere Person auf gleicher Höhe wie zwei Stehende, die auf der anderen Seite miteinander im Gespräch sind. Die Personen sind mit dicken Kohlestrichen aufs Nötigste reduziert. Die Köpfe sind schwarze Kleckse, viereckig, kreisförmig, schwarz mit markanten Hälsen auf ihre Körper gesteckt, die Gliedmassen nur angedeutet. Eine helle Aura umgibt die Figuren. Auch um den Tisch ist es etwas heller, während der übrige Raum wieder deutlich dunkler ist.
Beim längeren Betrachten scheinen die Figuren Gestalt anzunehmen, die Szene beginnt sich zu beleben. Man hört fast wie die sitzende Person im Profil ihrem Gegenüber etwas darlegt, während diese gespannt zuhört. Möglicherweise ist die dritte Person in der Mitte gerade eben vom Tisch aufgestanden, hat sich im Protest abgewendet, während die beiden Sitzendenden, konsterniert über die drastische Wendung, die Diskussion lautstark fortsetzen.
Die Dame ganz rechts mit der Tasche am Arm beschwert sich bei ihrer Gesprächspartnerin über die Preise auf dem Markt. Ihre Zuhörerin im gestreiften Kleid pflichtet ihr bei. Der Herr ganz links im weissen Hemd mit der dunklen Krawatte hält sich raus, denn es geht ihn ja nichts an. Auf dem Heimweg vom Büro ist er noch kurz in die Bar gegangen, wollte etwas Abstand nehmen vom hektischen Treiben bei der Arbeit. Gedanklich bereitet er sich schon auf den Abend mit seiner Familie vor.
Mit wenigen Strichen hält Fantuzzi das Alltagsgeschehen fest, belanglose Szenen, kleine Dramen. Momentaufnahmen, die er auf seinem Skizzenblock festhält. Mehr Beobachter als Interpretierender lässt er seine Figuren in ihrer Präsenz, für sich allein oder in Interaktion mit anderen. Doch seine Bilder sind mehr als ein starres Festhalten des Augenblicks, denn der Künstler lässt dem Betrachter Spielraum für seine eigene Wahrnehmung, lässt den Aussenstehenden nicht unbeteiligt, bringt ihn in ein in eine weitere Dimension.
Fantuzzi lebte als junger italienischer Künstler in Paris, wo er sich mehr schlecht als recht über Wasser hielt. Unter anderen lernte er auch Picasso und dessen Umkreis kennen. Er knüpfte Beziehungen zu grossen Künstlern wie Chagall, Matisse und Braque, deren Einflüsse in seinen Werken deutlich zu erkennen sind. Während der Wirren des Zweiten Weltkrieges verschlug es ihn wieder zurück in seine Heimat. Neben de Chirico gilt er als einer der bedeutendsten Künstler Italiens im 20. Jahrhundert. Er ist wohl etwas in Vergessenheit geraten und seine Werke erreichen bei weitem nicht die schwindelerregenden Preise seiner illustren Vorbilder aus der Pariser Zeit.