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Es wäre nicht ganz richtig von mir zu behaupten, ich hätte den Maler Karl Hosch schon lange gekannt. Aufgefallen ist er mir anhand eines Bildes, das ich in diesem Sommer im Schaufenster eines Antiquars in Zürich gesehen habe. Es hiess Viehtrieb auf der Dorfstrasse. Ich erkundigte mich beim Besitzers des Antiquariats nach dem Preis des Bildes. Doch der war mir dann doch etwas zu hoch.
Ein paar Wochen später fand ich aber auf einer bekannten Verkaufsplattform ein anderes Bild von Karl Hosch, das sofort meine Aufmerksamkeit erweckte. Es zeigt eine Thematik, die weit von der Idylle eines Viehtriebes durch ein Dorf entfernt ist. Ich werde das Bild nachher noch genauer beschreiben. Ich kontaktierte die Inserentin und wir einigten und auf einen Preis. Es war an einem Sonntag und ich konnte das Bild auch gleich abholen. Die Inserentin, eine sympathische junge Frau, empfing mich und zeigte mir das Bild. Es gefiel mir in natura noch viel besser als auf der Foto aber trotzdem war ich etwas irritiert. Das Bild hatte einen mächtigen zweiteiligen Rahmen mit dem Aufkleber eines ehemals wohl renommierten Rahmengeschäftes. Ich fand ihn überdimensioniert, denn er schien die Wirkung des Gemäldes zu beeinträchtigen. Trotzdem kaufte ich es.
Zuhause wollte ich es probeweise aufhängen, allerdings konnte ich den Eindruck nicht loswerden, es hänge nicht richtig. Ich schob es hin und her, holte die Wasserwage, aber es schien einfach nicht richtig im Lot zu hängen. Da nahm ich das Bild aus dem Rahmen, der mir ja sowieso nicht gefiel. Und nun fand ich des Rätsels Lösung. Das Bild ist auf einen dicken Malkarton gemalt und dieser war ganz offensichtlich schräg zugeschnitten geworden, so dass man den Eindruck bekam, das Bild neige leicht auf eine Seite, wenn der Rahmen gerade hing.
Ich stellte den monströsen Rahmen in eine Ecke und begab mich bei der nächsten Gelegenheit mit dem Bild auf dem Karton in die Rahmenabteilung des nächstgelegenen Shops für Kunstartikel. Dort hatte ich schon einige meiner Bilder rahmen lassen und war mit den Resultaten immer sehr zufrieden gewesen. Ich beschrieb einer Angestellten in dieser Abteilung das Problem mit diesem Bild. Sie verstand mein Anliegen und schlug vor, wie man vorgehen könnte. Das Bild musste vor der neuen Rahmung zuerst richtig zugeschnitten werden. Dann empfahl sie mir mit Kennerblick gleich einen passenden Schattenfugenrahmen. Ich war einverstanden und bereute meinen Entscheid nicht, als ich das Bild nach zwei Wochen wieder abholte.
Durch den neuen, passenderen Rahmen und den richtigen Zuschnitt kann das Werk von Karl Hosch seine Wirkung nun viel besser entfalten. Es ist ein sehr eindringliches Bild, das man sich nicht so einfach als Wandschmuck aufhängen kann, denn es erzählt eine Geschichte von Armut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Ich habe es als «La misère» gekauft, wollte es aber von diesem Stigma befreien, indem ich ihm den unverfänglicheren Namen «Mutter und Kind» gab. Die Mutter, eine grazile blonde Frau, lehnt erschöpft an einem Mauervorsprung. Wie im Halbschlaf ruht ihr Kopf auf dem rechten Arm, den sie über die Brüstung gelegt hat.
Ihr langes Kleid reicht ihr bis zu den blossen Unterschenkeln. Barfuss steht sie da, der linke Arm mit der offenen Hand hängt kraftlos schlaff herunter. Müde vom langen Stehen entlastet sie das angewinkelte rechte Bein. Vor ihr kauert ein kleines Mädchen, den rechten Arm am Boden abgestützt, den Blick unverwandt nach vorne gerichtet, in abgestumpfter Benommenheit die linke Hand mechanisch flehend zum Betrachter hin ausgestreckt. Die beiden Gestalten sind in rötlich gelben Pastelltönen herausgehoben aus einem pastos in breiten Malstrichen aufgetragenen Hintergrund in dunkleren Nuancen von Rot, Blau und Grau, der nur schemenhaft weitere Details preisgibt.
Die biografischen Angaben, die ich über Karl Hosch gefunden habe, sind nicht sehr ergiebig. Er soll aber viele Reisen durch Südeuropa, Marokko und die Türkei unternommen haben. Da könnte er sehr anschaulich solchen Szenen des Elends begegnet sein. Auf Artprice habe ich noch ein anderes Werk von Hosch gefunden, das mich etwas an mein eigenes Bild erinnert. Es zeigt ebenfalls eine blonde Frau, die in sich versunken mit weit aufgerissenen Augen auf einem niedrigen Stuhl sitzt, den Kopf auf dem rechten Arm abgestützt. So als hätte sie eben eine niederschmetternde Nachricht erhalten, die sie völlig aus der Fassung gebracht hat.
Es handelt sich bei den beiden Frauen nicht um Südeuropäerinnen oder Nordafrikanerinnen. Mein Bild mit dem bettelnden Kind erinnert eher an grossstädtisches Elend, wie man es vielleicht in Paris antreffen konnte. Das Bild auf Artprice zeigt aber eine Frau, die vielleicht gerade von einem persönlichen Schicksalsschlag getroffen wurde. Portraits sind unter Hoschs Werken seltener zu finden. Von der Thematik her hebt sich dieses Bild in seiner Besonderheit hervor. Was Karl Hosch dazu bewogen haben könnte ein Bild von fast greifbarem Elend zu malen, könnte auf einen persönlichen Bezug hinweisen, aber das ist nur eine Mutmassung.
Ich muss eingestehen, dass ich das Bild bei mir nicht aufgehängt habe. Zu eindringlich ist sein aufrüttelnder Appell, der mich stets daran erinnern würde, dass menschliches Elend eine verstörende Realität ist, die gerade in letzter Zeit wieder ein erschreckendes Ausmass angenommen hat, wenn ich an die aktuellen Kriege und Krisen denke. Karl Hosch hatte in seinem Leben davon ja auch genug mitbekommen, die unvorstellbaren Gräuel von zwei Weltkriegen waren wohl nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.