17 Apr
17Apr

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Ein Regentag, Tauwetter, einzelne Schneereste im Schatten der einfachen Holzhäuser. Ein harter Winter geht zu Ende. An dünnen hochgewachsenen Bäumen hängt noch etwas Laub vom letzten Jahr. Die Natur rund um die Häuser wirkt arg zerzaust und ockerbraun, die Pflanzen verharren noch in der Winterstarre. Erst unsichtbar im Innern treiben ihre Lebenssäfte die Keime und Knospen. Kein Wesen regt sich, weder Mensch noch Tier. Sie verharren in Häusern und Ställen, in Höhlen und Nestern. Der Himmel ist verhangen, die Luft noch kühl, aber ein Hauch von Frühling ist zu spüren. 

Fasnacht ist vorbei, aber die Tschäggättä haben gute Arbeit geleistet und dem Winter schon fast den Garaus gemacht. Die Menschen hocken noch unruhig in ihren Häusern, sind aber kaum mehr drinnen zu halten, möchten sich auf die schmutzigen Wege wagen, mit dem letzten Geld notwendige Besorgungen machen, wenn die Vorräte knapp geworden sind. Die alten Holzhäuser haben dem Winter schon Jahrhunderte getrotzt, haben Schneelasten ertragen und die Bewohner vor Regen und Sturm geschützt. Sogar den Lawinen haben sie mit aller Macht getrotzt, die Bewohner vor Unheil bewahrt und wurden von ihnen wieder instand gesetzt, wenn es Schäden gab. 

Das Lötschental ist auch berühmt durch seine Sagen. Eine davon könnte gut zu diesem Bild passen. Es ist die Sage vom Gräberkrieg, wo ein Pfarrer aus Lötschen mit den Bernern im Bunde war und mit diesen einen bösen Plan ausheckte. Er sollte die Lötschentaler in der Kirche mit einer langen Predigt zurückhalten, damit die Berner Zeit hätten im Tal ohne Gegenwehr einzufallen. Durch einen Zufall wurden die Berner schon entdeckt, bevor sie den Berg herunterstürmen konnten. Ein Knabe wurde als Bote weggeschickt um Unterstützung aus Walliser Orten ausserhalb des Lötschentals zu holen. 

Es gelang den listigen Lötschentalern auch die Berner mit einem Angebot zu ködern, das denen noch mehr Beute versprach. Der Botenknabe war zwar von den Bernern gefangen genommen worden, stellte sich aber so dumm und ahnungslos, dass ihn diese wieder laufen liessen. So gelang es ihm das Hilfsgesuch im ersten Walliser Dorf ausserhalb des Lötschentals zu übergeben. Als die Hilfe der Walliser eintraf, fielen die Lötschentaler den Bernern in den Rücken. Diese wurden bis auf drei Mann niedergemetzelt und auf dem einem Feld begraben, das heute deshalb den Namen «Gräber» trägt. Die drei Überlebenden wurden verstümmelt und als Warnung an die Berner zurückgeschickt. 

Der Erfolg der List der Lötschentaler hing also von diesem jungen Boten ab. Wir wissen nicht genau, an welchem Ort des Lötschentals sich die Geschichte abgespielt hat. Da die Berner aber über den Lötschenpass gekommen sind, wird es wohl bei Kippel, Ferden oder Riet gewesen sein. Der Kastlan oder Gemeindevorsteher musste schnell entscheiden, wie er die Hilfe aus dem Wallis anfordern konnte. Dass seine Wahl auf einen Knaben fiel, ist nachvollziehbar, denn einen Erwachsenen hätten die Berner wohl nicht durchgelassen. Dafür brauchte er also einen, der genug Mumm hatte und auch nicht auf den Kopf gefallen war. 

Die Geschichte könnte sich so abgespielt haben. Der Kastlan musste nicht lange überlegen. Seine Wahl fiel auf den Sohn eines alteingesessenen Bauern. Für sein Alter wirkte der etwas zu klein und schmächtig, aber der Kastlan kannte ihn besser, war er doch mit seinem Vater gut bekannt. Der Junge war ein zäher und gewitzter Bursche, der kaum je eine Antwort schuldig blieb. Dass er kein Angsthase war, hatte er schon oft bewiesen, wenn er sich auf Raufereien mit anderen Jungen einliess, die einen Kopf grösser waren als er. Wenn ein Streich ausgeheckt wurde, war er meist der Anführer, die Strafe, die dann erfolgte, wenn er erwischt wurde, hatte er jeweils ohne mit der Wimper zu zucken über sich ergehen lassen. 

Der Junge kannte den Weg in die Walliser Nachbardörfer des Lötschentals gut, denn er hatte schon oft Botengänge dorthin für seinen Vater erledigen müssen. Als der Kastlan ihm erklärte, was er zu tun hatte, hörte er aufmerksam zu. Der Zettel mit dem Hilferuf an die Nachbardörfer wurde in einem Kessel unter einer Mehlspeise versteckt, denn die Verantwortlichen dort hätten dem Jungen vielleicht nicht geglaubt, dass der Feind anrückte, wenn sie nicht eine schriftliches Gesuch bekommen hätten. Der Vater nahm seinen Jungen auch noch ins Gebet und schärfte ihm ein, wie er sich zu verhalten hätte, falls er den Bernern in die Hände fallen sollte. 

So machte sich der wackere Bursche auf den gefährlichen Weg, der an sich schon lang und beschwerlich war. Schon bald hatte er das Dorf hinter sich gelassen. Man hatte ihn gewarnt, dass die Berner diesen Weg gut überwachen würden. So schaute er sich immer wieder um, ob da nicht gleich jemand hinter einem Gebüsch hervortreten würde um ihm den Weg zu versperren. Doch nichts regte sich, schon glaubte sich der Junge in Sicherheit. Da hörte er plötzlich ein Rascheln im Unterholz gefolgt von einem wilden Geschrei. Er ging langsamer, da jagte eine Gruppe Rehe kaum eine Schattenlänge vor in panischer Flucht aus dem Wald. 

Doch die Rehe hatten nicht grundlos die Flucht ergriffen. Drei Männer stürmten johlend hinter ihnen her. Es waren aber nicht Jäger aus dem Lötschental, denn diese hätte der Junge gekannt und keiner hätte sich bei der Jagd so dumm verhalten. Es waren wilde bewaffnete Fremde, die er noch nie gesehen hatte. Als sie seiner gewahr wurden, hielten sie in ihrer ungestümen Treibjagd inne. Noch überlegte sich der Junge, ob das nun wirklich Berner wären. Doch das wurde ihm schnell klar, als sie ihn ansprachen. Ihren Dialekt, den er kaum verstand, kannte er. Der Älteste unter ihnen, ein wahrer Riese mit einem struppigen Bart, kam auf ihn zu und pflanzte sich wie ein Berg vor ihm auf, die zwei anderen Spiessgesellen hinter sich. 

Missmutig schaute er auf den Jungen herunter, als wäre dieser ein Ungeziefer, das zu zertreten kaum der Mühe wert war. Als seine Stentortimme erdröhnte, schien der Boden unter ihm zu zittern. Nun kam sich der Junge vor wie David vor Goliath, doch leider hatte er keine Steinschleuder. Die hätte ihm auch nicht viel genützt, denn der Riese hob ihn mit seiner Pranke empor, als wäre er ein dürres Zweiglein. Als er mit dem Goliath auf Augenhöhe war, wollte dieser wissen, auf wessen Geheiss er unterwegs sei. Dem Jungen kam es vor, als wäre er in ein Gewitter geraten und hielt sich die Ohren zu. Doch er erinnerte sich an die Anweisungen des Vaters. 

Gegen seine eigene Natur begann er so kläglich zu heulen und zu jammern, dass sogar der Riese Mitleid mit ihm hatte. Er stellte ihn sanft auf einem hohen Baumstumpf ab, damit er sich nicht so weit herunterbücken musste. Wie ein Häufchen Elend erklärte ihm der Junge unter Schluchzen und Schniefen, dass er doch nur dem Vater, der auf dem Feld arbeite, das Essen bringen müsse. Er zeigte auf sein Geschirr mit der Mehlspeise. Der Riese roch daran und rümpfte die Nase. Auch seine beiden Kumpane schnupperten daran und wandten sich angewidert ab, denn sie kannten diese Speise auch nicht. Ob sein Vater dieses Zeug wirklich essen könne, fragte der Riese. 

Der Junge tat, als hätte er ihn nicht richtig verstanden und stammelte, er dürfe den Vater nicht länger warten lassen, denn dieser sei nach der schweren Arbeit sicher schon völlig erschöpft und er würde sich eine Tracht Prügel einhandeln, wenn er ihn länger warten liesse. Dann solle er in Gottes Namen machen, dass er weiterkomme, meinte der Riese, der schon etwas gelangweilt war von der jämmerlichen Geschichte. Nein, da würde ihnen keine Gefahr drohen meinte er, als er sich zu den anderen beiden Schergen wandte. Zudem müssten sie sich ja beeilen, damit sie die Streitmacht der Berner wieder einholen konnten, denn sie fürchteten, dass ihnen wertvolle Beute entgehen würde. 

Der Junge stapfte scheinbar völlig verängstigt von dannen, solange er noch in Sichtweite der drei Halunken war. Aber kaum war er um eine Kurve gebogen, nahm er wieselflink seine Füsse unter die Arme und erreichte nach kurzer Zeit das erste Dorf ausserhalb des Lötschentals. Dort begab er sich zum Kastlan und übergab ihm seine Meldung. Dieser trommelte in kurzer Zeit aus allen umliegenden Dörfern die wehrfähigen Männer zusammen, die den Lötschentalern zu Hilfe eilten. Als die Schlacht geschlagen war, machte sich der junge Bote wieder auf den Heimweg. Er kam auch am Gräberfeld vorbei, wo er unter den vielen toten Bernern auch die drei Wegelagerer fand. Zu grosser Beute waren sie nicht mehr gekommen und den Bernern dürfte der Appetit auf Kriegszüge ins Lötschental für lange Zeit vergangen sein. 

Eigentlich wusste ich über das Lötschental so gut wie nichts. Doch, die berühmten Larven waren mir ein Begriff. Auf Wikipedia informierte ich mich genauer über dieses Tal, das von der Lonza durchflossen wird, dessen Wasser am westlichen Ausgang des Tales in einem Stausee zurückgehalten wird. Mit dem Namen Lonza verband ich allerdings nicht den Fluss sondern den Kunstdünger, der von dieser Firma produziert wurde. Heute ist Lonza auch im Pharmabereich tätig. Das landschaftlich idyllische Tal wird von der flacheren Südseite der Berner Alpen und dem steileren Nordabhängen einer zum Aarmassiv gehörenden Gebirgskette gebildet. Grössere Ortschaften sind Ferden, Kippel, Wiler, Ried, Blatten und Falleralp. 

Das Lötschental war lange Untertanengebiet von sieben massgebenden Orten des Oberwallis, von denen es sich am Ende des 18. Jahrhunderts freikaufte. 1815 trat es gemeinsam mit dem neuen Kanton Wallis der Schweiz bei. Da es zu den abgelegensten und am wenigsten entwickelten Regionen dieses Kantons gehörte, kehrten ihm viele junge Lötscher den Rücken und suchten ihr Glück anderswo. Heute ist das Tal vor allem wegen des Wintersports gut erschlossen. In dem lange weitgehend abgeschiedenen Tal blieben archaische Bräuche und Traditionen erhalten. So treiben zur Fasnachtszeit die urtümlichen Tschäggättä mit den berühmten Masken ihr Unwesen. 

Quellen: Wikipedia und Goppenstein.info

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