21 May
21May

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Dieses Gemälde habe ich an einem Ort gefunden, wo ich es für ziemlich unwahrscheinlich hielt je ein Werk zu finden, das überhaupt eines zweiten Blickes würdig war. Doch da hing es mit einem wunderbaren Jugendstilrahmen, der an sich schon bemerkenswert ist. Es liess mir keine Ruhe mehr. Ein impressionistisches Bild in dieser Qualität ist eine Seltenheit. Ich fuhr aufgeregt nach Hause, recherchierte über den Künstler und war ziemlich ernüchtert. Ich fand eine Reihe von anderen Werken von ihm, die zu niedrigen Preisen verkauft worden waren. Aber ich lasse mich eben nicht von kommerziellen Prinzipien leiten und so kaufte ich das Gemälde trotzdem. 

Das Bild zeigt einen sonnigen Herbstwald mit einer Gruppe von vier Frauen und fünf Kindern, die sich rund um eine mächtige Buche in der Mitte des Bildes auf dem Waldboden niedergelassen haben. Anlässlich ihrer Kleidung kann man schliessen, dass es sich um Leute aus der wohlhabenden Gesellschaftsschicht handelt. Rechts vom Stamm liegt auf dem Boden ausgebreitet ein weisses Tuch mit einer aufrecht stehenden Weinflasche in der Mitte. Das Picknick scheint schon vorbei zu sein oder noch gar nicht angefangen zu haben, denn der grosse Korb mit den Speisen steht verschlossen vor dem Tuch, direkt davor auf dem Waldboden ein Teller und eine viereckige Schüssel. 

Eine Frau in einem blauen Kleid sitzt etwas nach vorne gebeugt auf einer niedrigen Böschung rechts vom Korb. Eine andere Frau mit einer weissen Schürze stützt sich auf der anderen Seite ihr gegenüber in seitlich liegender Position mit einer Hand auf dem Tuch ab. Zwischen den beiden Frauen hat ein Mädchen in weissem Kleid auf einem niedrigen Baumstrunk Platz genommen. Etwas hinter ihr steht ein weiteres Mädchen mit Hut, blauem Oberteil und weissem Rock. Rechts vor dem Stamm sieht man von hinten ein sitzendes Mädchen in braunem Kleid neben einer liegenden Dame ganz in Weiss, die einen Säugling in ihren Armen hält. Links von ihr etwas weiter vom Stamm entfernt liegt eine andere Frau auf einer Decke. Den Abschluss machen auf der linken Seite zwei Kinder. Eines ist blau angezogen, während das andere in weisser Kleidung erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist. 

Die Frauen scheinen jede für sich in ihre Gedanken vertieft zu sein. Nur die beiden abseits stehenden Kinder sind gemeinsam beschäftigt, während die drei anderen sich unter der Aufsicht ihrer Mütter kaum zu regen scheinen. Die Aura des Herbstwaldes scheint die Gruppe im schattigen Vordergrund in ihren Bann geschlagen zu haben. In der Lichtung hinter ihnen dringt mildes Herbstlicht durch und lässt die Bäume in goldenen Glanz erstrahlen. Vielleicht hat das Picknick noch nicht angefangen, weil die Gesellschaft gar nicht vollständig ist. Es fehlen die Männer. 

Wo könnten diese sein? Sind sie gemeinsam unterwegs auf einem Spaziergang und überlassen es den Frauen alles für das Picknick bereit zu machen. Vielleicht sind sie auch auf der Jagd, was im Herbst nicht ungewöhnlich wäre. Möglicherweise kennen sich die Frauen untereinander gar nicht so gut wie ihre Männer, sind sich eher fremd. Auch die Kinder scheinen keinen vertrauten Umgang miteinander zu haben. Sonst würden sie wohl miteinander spielen. Die Frauen sind vielleicht ganz gerne einen Moment für sich und geniessen ihre Ruhe ohne ständig für ihre Männer da sein zu müssen 

Das Bild dürfte um 1900 entstanden sein. Da herrschten ja noch ganz andere Regeln zwischen Frauen und Männern. Schaut man etwas genauer hin erinnert die Darstellung etwas an japanische Holzschnitte, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen grossen Einfluss auf die Malerei in Europa hatten. Gerade wie japanische Geishas sind die Frauen nicht dargestellt. Aber der Vergleich ist wohl berechtigt, wenn man bedenkt, dass sich in dieser Zeit die Frauen auch in Europa ihren Männern unterordnen mussten. 

Jemand hat mir gesagt, der prächtige schwarze Rahmen erinnere an die bedeutende Epoche der holländischen oder flämischen Malerei im 17. Jahrhundert. Die sehr regelmässigen filigranen Schnitzereien weisen auch nicht die typischen Formen des Jugendstils auf. Diese kann man sich in den schönen Furnieren aus Wurzelmaserung vorstellen. Der dunkle Rahmen passt gut zu diesem Bild, das an sich schon etwas dunkel ist. Deshalb braucht es einen sehr hellen Platz, damit es seine Wirkung richtig entfalten kann. 

Mario Bertola 1875 – 1926 war ein italienischer Maler des Impressionismus aus Turin. Zu seinen beliebten Motiven gehören die Meeresküsten Liguriens oder Berglandschaften in verschiedenen Jahreszeiten. Aufgefallen ist mir das Bild «Giornata di Festa». Es zeigt eine Dame mit einer Kinderschar, die sich während einer Wanderung in einer Berglandschaft zu einem Imbiss niedergelassen hat. Ein anderes eher untypisches Bild mit dem Namen «Lavandaie» zeigt Wäscherinnen an einem Gewässer. Bemerkenswert ist hier der sehr pastose Malstil, der im Gegensatz zu den Anklängen an den Japonismus in meinem Bild die Figuren fast nur noch schemenhaft erkennen lässt. 

In seinen späteren Jahren nahm Mario Bertola an zahlreichen Ausstellungen In Italien teil. Unter anderen auf den Biennalen von Rom (1921), auf der Quadriennale (1908 und 1923), auf der Società Amatori e Cultori in Rom (1923) und auf der Nationalen Ausstellung der Schönen Künste in Mailand (1916, 1922, 1925). 


Quellen. www.pittoriliguri.info

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