https://www.my-b-r.ch/angebote-im-verkauf/grafiken-zeichnungen
Im lockeren Schritt kommt es auf den Betrachter zu. Eine längliche Blesse zieht sich von der Stirn bis etwa eine Handbreit über den Nüstern. Ein Brauner oder eventuell ein Fuchs? Die gekonnte Bleistiftzeichnung lässt die Frage offen. Man spürt förmlich seine entspannten Bewegungen. Ein gutmütiges Tier, das sich leicht führen lässt. Ross und Reiter geniessen den Ausritt. Im passenden Dress mit weisser Reithose, hohen Stiefeln, weissem Hemd und weisser Baskenmütze macht der Herrenreiter einen flotten Eindruck. Vielleicht träumt er von seinen Zeiten als Jockey, als es noch richtig zur Sache ging, bei den Rennen Preise gewonnen wurden, nachdem er bei halsbrecherischen Aufholjagden den Hals riskiert hatte. Aber das ist längst vorbei, sein Pferd weiss das ebenso gut wie er selber.
Otto Dill war ein versierter Tierzeichner. Mit wenigen Strichen, passenden Schattierungen und raffinierten Schraffuren gelang es ihm diese unaufgeregte Szene zum Leben zu erwecken. Das hat ihn wohl wenig Mühe gekostet. Schnell dahingeworfen und schon hat er einen Wert für einen Tauschhandel geschaffen, der ihm in schweren Zeiten das Überleben sichert. Einen Teil seines Werkes verlor er bei einem Bombenangriff im zweiten Weltkrieg. Sein Leben hatte in ärmlichen Verhältnissen begonnen. Seinen Vater verlor er, als er sechs Jahre alt war. Trotzdem gelang es ihm nach einer Lehre als Verlagskaufmann an der Münchner Akademie ein Studium der Malerei als Meisterschüler zu durchlaufen. Er meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger, wurde aber 1916 wegen einer Krankheit ins Bayerische Kriegsministerium versetzt.
Ab dem Sommer 1917 war Dill als freischaffender Künstler tätig, wurde Mitglied der Münchner Sezession und nahm 1922 an verschiedenen Ausstellungen dieser Künstlervereinigung teil. 1924 wurde ihm der Professorentitel verliehen. Er unternahm Reisen nach Italien, Spanien, Frankreich und Nordafrika. Unter dem Einfluss des Impressionismus verarbeitete er seine dort gewonnenen Eindrücke. In Nordafrika verpasste er keine Gelegenheit, die sich ihm für die Darstellung von Szenen mit wilden Tieren und Eingeborenen in der Wüste bot. Sein bevorzugtes Sujet waren dort die Löwen. Eine weitere Passion galt dem Pferdesport, insbesondere Pferderennen und Polospiele.
Otto Dill konnte in der Zeit des Nationalsozialismus als Maler weiter tätig sein und nahm 1937 und 1938 an der «Grossen Deutschen Kunstausstellung» in München teil. 1941 zog er nach Bad Dürkheim, wo er bis zum Ende seines Lebens 1957 wohnte. 1949 wurde er zum Ehrenbürger dieser kleinen Stadt in der Pfalz ernannt. Er wurde auch Ehrenmitglied der Akademie der Künste in München. Er gilt als bedeutendster Maler der Pfalz im 20. Jahrhundert. Bei Auktionen erzielen sein Werke auch heute noch hohe Preise.
Bei seinen Ölgemälden ist der impressionistische Einfluss klar zu erkennen. Vergleicht man seine Bilder aus der Anfangszeit mit Werken, die gegen Ende seines Lebens entstanden sind, fallen einem kaum markante Unterschiede auf. Otto Dill bleibt seinem Malstil im Wesentlichen treu. Bei einen einzelnen Bildern wie zum Beispiel bei «geführte Hengste» oder bei «Ziegenherde» gibt es aber auch expressionistische Tendenzen. Neue bedeutende Bewegungen wie die «Brücke», der «Blaue Reiter» oder die «Neue Künstlervereinigung München» hatten kaum Einfluss auf Dills Werk.
Während sich Dills Malstil mehr oder weniger im Impressionismus erschöpft, halte ich sein zeichnerisches Werk für umso bemerkenswerter. Sei es mit Bleistift und Kohle, mit Tusche oder Tinte und Wasserfarben, mit sicherem Strich erfasst Dill die bewegte Szenerie und haucht ihr Leben ein. Sei es das gemächliche Dahinschreiten einer Kamelkarawane, der furiose Ritt auf einem Rennpferd oder die waghalsig, geschmeidigen Bewegungen des Stierkämpfers. Dill fängt sie so unvermittelt ein, dass man sich als Betrachter einbezogen fühlt und sie fast schon unvermittelt emotional wahrnimmt.
Einen humoristischen, karikaturistischen Unterton haben seine Darstellungen von Menschengruppen wie zum Beispiel die «Gasthausszene» oder «Im Wirtshaus». Da erinnert er mich etwas an Honoré Daumier oder an Spitzweg. Leider sind diese Arbeiten eher selten. Ohne stark zu überzeichnen gelingt es ihm hier mit mildem Spott allzu menschliche Regungen treffend darzustellen.
In seinen letzten Lebensjahren unternimmt Dill noch einige Reisen. Er stirbt am 6. Juli 1957 im Alter von 73 Jahren in Bad Dürkheim.
Quellen: Wikipedia, Manfred Vetter, Stiftung Ketterer, Kunst Kunkelfineart