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Beide blicken in Richtung des Betrachters. Das Kind klammert sich ängstlich an seine Beschützerin, die Augen weit aufgerissen. Die Frau trägt es in einem sackartigen Beutel an ihren Körper geschmiegt. Die Nase der Frau ist nur ein Strich, der Mund ein schwarzer Punkt. Beim Kind bleibt nur noch ein Strich im Gesicht. Das lange Haar der Frau ist offen und gescheitelt. Darin sind Muster zu erkennen, die sich auch im Umhang fortsetzen, der von einem einfachen langen Kleid fast ganz verdeckt wird. Das Kleid endet in einem Saum, der aussieht wie zwei aneinandergehängte spitz auslaufenden Bögen. Weder Arme noch Beine der Frau sind sichtbar.
Rechts daneben stehen drei Gestalten im Hintergrund, die aussehen als wären sie in einer Figur zusammengewachsen mit drei Köpfen und einem Arm, der auf die Mondsichel in einer kreisrunden Aura deutet. Im oberen verwachsenen Bereich sind die drei Personen sowie auch das Kind von einem seltsam gekräuselten Muster bedeckt. Eine Art Toga, mit elegant geschwungen Linien verziert, bedeckt sie bis über die Hüfte. Unten rechts flattert eine weisse Taube, welche beim genaueren Hinsehen von einer etwas helleren Blase umfangen wird. Eine weisse Schlange, die sich selber in den Schwanz beisst, umschliesst die Komposition, die mit dem dunklen Hintergrund aus feinen sich kreuzenden schwarzen Strichen kontrastiert.
Die Schlange, die sich in den Schwanz beisst könnte ein Symbol für die Ewigkeit sein. Die Taube wird mit Frieden assoziiert. Der Mond hingegen steht für Wechsel und Wandel. Auch die Zahl drei hat eine besondere Bedeutung insbesondere in der Mythologie. Sie steht auch für etwas Ganzes, Vollkommenes, dem man nichts mehr hinzufügen muss. Sami Burhan hat wohl nicht zufällig diese Symbole verwendet. Im Vordergrund steht aber die besorgte Mutter mit dem Kind, das bei ihr Schutz vor einer Bedrohung sucht. Symbolisiert die Schlange mit dem Mond den ewigen Kreislauf von Gedeihen und Verderben im Leben?
Beschwören die drei Gestalten im Hintergrund den Mond, damit er in seinem Wandel nicht inne hält? Warum ist die Taube in dieser seltsamen Blase eingeschlossen und schwebt nicht frei in der Luft? Sind wir in diesem unbarmherzigen Zyklus gefangen, der nach Tod und Zerstörung neues Leben gebiert. Helfen uns Rituale diesen ewigen Wandel erträglich zu machen. Stehen die drei Figuren im Hintergrund für die spirituelle Kraft, die uns hilft uns in diesem ewigen Wandel zu behaupten.
Auf einem seiner Ölbilder wiederholt Burhan das Motiv von Mutter und Kind, auch die Taube verwendet er wieder. Alle Figuren sind in Orange auf einem gelben Untergrund gemalt nur die Augen sind in einem kontrastierenden Grün, das er auch für den Hintergrund verwendet. In einem anderen Bild arbeitet er mit den gleichen Farben und Kontrasten, anstelle der Figuren wird es von kryptischen Zeichen belebt. Auf einem anderen Ölbild steht ein Frau mit langem Haar rechts im Vordergrund. Zart angedeutet sind ihre kreisförmigen Brüste. Links im Hintergrund zwei sich überlagernde Engelsfiguren. Sind es zwei besorgte Schutzengel, welche die Frau begleiten?
In anderen Arbeiten greift Burhan auf die arabische Kalligraphie zurück, mit der er sich seit seiner Jugend beschäftigt hat. Er spielt mit den Zeichen dieser Schrift, kombiniert und arrangiert sie zu neuen sich überschneidenden Gebilden mit mannigfaltige Flächen in zarten Farbtönen auf kontrastierenden Hintergrund. Es gibt auch Arbeiten von Burhan, wo er die arabischen Schriftzeichen als solche stärker in den Vordergrund rückt. Sie wirken dabei in ihrer kalligraphischen Eleganz und Schönheit. «Munari in arabo» ein Offsetdruck erinnert mich etwas an Miro oder Klee. Mit feinen sich überschneidenden weissen Linien auf schwarzem Grund kreiert der Künstler flächige Formen, die er mit Farben von blassem Blau bis zu fast schrillem Neongelb aussprayt.
Sami Burhan wurde 1929 in Aleppo, Syrien, geboren. Schon früh begann er sich für die arabische Kalligraphie zu interessieren. Im Jahre 1944 wurde er Schüler von Husein Husni, dem ehemaligen ersten Kalligraphen des Sultans von Istanbul. Er setzte später seine Ausbildung in Italien fort. Unter anderen besuchte er die Akademie der Schönen Künste in Rom. Später unterrichtete er selber Kalligraphie an der Universität in dieser Stadt. Als erster arabischer Künstler wurde er von der UNO ausgewählt um Briefmarken gegen Drogen zu gestalten.
Nach seiner ersten Ausstellung in Aleppo beschleunigte sich seine Karriere mit Ausstellungen in vielen vor allem osteuropäischen Städten sowie in Kairo und Damaskus. Er wurde 1964 zur Biennale von Venedig eingeladen. Im Jahr 1993 wurde er auf der ersten Biennale der Vereinigten Arabischen Emirate zum "Pionier der arabischen Kunst" erklärt. Im Jahr 2000 widmete ihm die Gemeinde Montecchio eine persönliche Ausstellung, während er 2002 die Ausstellung "Sacred Mediterranean" an der Universität von Catania und im Museumslabor für visuelle Künste der Fakultät für Architektur in Syrakus zeigte.
Sami Burhan starb 2021 in Massa in der Toskana. Er hatte sich diese Stadt zu zweiten Heimat gemacht. Zwei Jahre zuvor fand in seiner Wahlheimatstadt eine Ausstellung mit seinen Werken statt.
Auszug aus der Einladung zur Ausstellung.
Am 30. August 2019, um 21 Uhr, wird im Ausstellungsraum von "Forma e Recupero", Via Cairoli 14 Massa, die persönliche Ausstellung des international renommierten Malers M° Sami Burhan eröffnet, mit einer kritischen Präsentation des Bildhauers Giuseppe Bartolozzi, ehemaliger stellvertretender Präsident der Stiftung Bartolozzi Tesi - Kunst und Wissenschaft von Pistoia. Die Botschaften des universellen Friedens, die in den Gemälden des syrischen Künstlers enthalten sind, werden mit der beschreibenden Intimität der Texte der Dichterin Silvia Tamberi in Dialog treten, die von Gianni Conti deklamiert werden.
Quellen:
www.tempoliberotoscana.it