12 Sep
12Sep

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Neben Pferden, Rindern und Landschaftsbildern hat Georges Trincot auch meisterhafte Bilder von Städten gemalt. Beginnen wir mit dem exotischsten in unserem Angebot, dem Bild von Sant Angelo, einem malerischen Fischerdorf auf der Insel Ischia. Der Name kann einen leicht etwas durcheinander bringen, denn es gibt neben daneben noch etwa zwanzig weitere Gemeinden oder Ortsteile mit dem Namen Sant Angelo in Italien und vor allem darf man es nicht mit der Città Santangelo, der Engelsburg in Rom, verwechseln. Vergleicht man das Bild mit Fotografien, wird sofort klar, dass es sich nur um dieses Fischerdorf auf Ischia handeln kann. 

Auf Google Earth Pro konnte ich genau ausmachen, dass Trincot von einem Standpunkt im Süden seinen Blick nach Norden auf das emsige Treiben in den Bars und Restaurants auf der anderen Seite des Hafens gerichtet hat. Hinter der Strandpromenade steigt das Gelände mit weiteren Gebäuden bis zu einer ersten Anhöhe zu einem herrschaftlichen Anwesen mit hohen Bäumen empor, das überragt wird von der Spitze eines felsigen Hügelzuges. Das Bild muss vor vielen Jahren entstanden sein, denn wahrscheinlich gab es damals noch keine Bootsstege und die Boote fuhren direkt an den Strand. 

Trincot arbeitet mit lasierenden Farben, wie wir es von seinen Aquarellen her kennen. Den Hafen mit den Booten, die Leute am Strand und an der Promenade skizziert Trincot in mediterraner Leichtigkeit, er reduziert auf Striche und Farbtupfer und setzt gekonnt passende Akzente. In den sanft gestrichenen Blautönen des Meerwassers spiegeln sich die hölzernen Bootsrümpfe mit ihren Segeln und Aufbauten. Ein Segelboot nimmt Kurs auf den Strand, während ein Motorboot den Hafen verlässt. Für die Häuserfronten verwendet der Maler durchscheinende Pastellfarben, die umso mehr verblassen je stärker das Gelände zum Hügel emporsteigt. Für den felsigen Hügelzug über dem Fischerdorf verwendet er hellere und dunklere Töne in einem Gemisch von Ziegelrot, Rosa und Lila mit grünlichen Einsprengseln. 

Bei Colmar muss man nicht lange überlegen, wo es sein könnte, denn diese wunderschöne Stadt im Elsass ist einmalig. Trincot hat sich hier ja nicht nur als Maler einen Namen gemacht, denn er ist auch Mitbegründer des Musée du Jouet, eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt. In dessen Nähe könnte auch dieses Bild entstanden sein, befindet sich das Spielzeugmuseum doch mitten in der Altstadt. Eine Häuserzeile aneinandergebauter, zweistöckiger Häuser mit steilen Satteldächern, Dachgauben und rauchenden Kaminen, denn es ist bitterkalter Winter mit Schnee, der noch nicht von den Bäumen, Sträuchern und Zäunen heruntergefallen ist. 

Der Jahreszeit entsprechend verwendet Trincot hier gedecktere Grün-, Ocker- und Brauntöne für die Häuserfronten. Die Dächer sind ein Gemisch aus dunklem Magenta mit zinnoberroten Aufhellungen, weiss übertüncht, wo der Schnee hängen geblieben ist. Aus den dunklen Fensteröffnungen dringt in der trüben Stimmung kein Licht. Der Himmel ist verhangen mit grauen Wolken, die die Reste des Tageslichtes aufgefangen haben. Man riecht förmlich die Schneeluft, welche die nächsten winterlichen Niederschläge ankündigt. Die eisigen Strassen sind menschenleer. Nichts regt sich, die Leute scheinen sich in ihren Häusern verkrochen zu haben, wo vielleicht ein Kachelofen behagliche Wärme ausstrahlt. 

Eine interessante Ergänzung zu diesem Bild von Colmar ist ein Aquarell einer Häusergruppe von dieser Stadt aus dem Jahre 1944. Trincot hat es im fast noch jugendlichen Alter von 23 Jahren gemalt zu einer Zeit als Colmar noch unter deutscher Besatzung litt. Die Stadt wurde erst im Februar 1945 nach schweren und verlustreichen Kämpfen befreit. Davon ist auf diesem Aquarell nichts zu spüren. Trincot richtet seinen Blick über eine Häusergruppe in der Altstadt Richtung Vogesen im Westen der Stadt. Erste Ansätze von Trincots Meisterschaft im Aquarellieren zeigen sich im Blattwerk der Bäume und Büsche. Fast einheitlich verwendet er die gleichen Brauntöne für die Hausdächer, setzt filigrane Schornsteine darauf und lässt sie in den heiteren Himmel ragen. 

Man fragt sich unweigerlich, was es mit dem Turm auf der Hügelspitze im Hintergrund auf sich hat, den der Maler mit dem feinsten Pinsel malt, was etwas im Widerspruch zu seiner Arbeitsweise steht, den solche winzigen Details findet man sonst nirgends auf seinen Bildern. Wenn man nun der Fantasie seinen Lauf lässt, könnte man vielleicht denken, dass dieser Turm eine Bedeutung hatte, möglicherweise sogar eine militärische. Ein Aussichtsturm oder ein Funkturm vielleicht. Auf modernen Karten ist weder das eine noch das andere verzeichnet. Im Krieg wäre er wohl ein leichtes Ziel für gegnerische Flugzeuge gewesen. Bemerkenswert ist die militärische Laufbahn Trincots, der als Elsässer zum Wehrdienst in der deutschen Wehrmacht gezwungen, aber Ende 1943 dank der Intervention seines Onkels aus dem aargauischen Reinach in der Schweiz davon befreit wurde und sich danach als Freiwilliger in der französischen Armee verpflichtete. Er war also 1944 als Angehöriger der französischen Armee im noch deutsch besetzten Colmar. 

Den Abschluss dieses besonderen Reigens macht ein Bild von Zürich. Trincot wählt an diesem Frühlingstag seinen Standpunkt wahrscheinlich an einem Ort, wo er über die Dächer des Niederdorfes Richtung Grossmünster und weiter bis zum Uetliberg blicken kann. Links unten steht ein Kirschbaum in voller rosaweisser Blütenpracht. Bei den anderen Bäumen spriesst das erste zarte Frühlingsgrün der jungen Blätter, das Astwerk und Zweige noch nicht ganz verdeckt. Nur das rechte untere Viertel lässt der Maler frei für den Blick auf die Stadt, die den weichen Glanz des Frühlingslichts in gedämpften Pastelltönen in sich aufnimmt. 

Der blaue Himmel mit flauschigweissen Cumuluswölkchen gibt der Szenerie eine heitere Note. Dazwischen kontrastiert der blassblaue Hügelzug im Hintergrund mit den verschiedenen Rotbraun- und Ockertönen der Stadt. Wie stark sich Zürich wohl verändert haben mag seit diesem Tag vor fast sechzig Jahren. Das Grossmünster steht noch unerschütterlich an seiner Stelle, aber das wilde Treiben im Niederdorf hat der Gentrifizierung nicht standgehalten. Anstelle von Nachtclubs und anderen Etablissements haben sich schicke Läden und hippe Galerien breitgemacht, die besser auf die Bedürfnisse der Touristen abgestimmt sind. Aber davon hatten die Menschen, die sich an diesem Tag auf einem Spaziergang an den warmen Sonnenstrahlen erfreuten, noch keine Ahnung. 

Quellen:

georgestrincot.fr
Google Earth Pro

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